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                Date: 2001-11-17
                 
                 
                MI6, Tomlinson & keine Skrupel
                
                 
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      Zur Lektüre im Volltext ausdrücklich empfohlen: Christiane   
Schulzki-Haddouti über den Fall des dissidenten Agenten Richard  
Tomlinson, aus Anlass der Publikation seiner Memoiren in  
deutsch.     
 
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Im Kampf um Information und Desinformation ist der britische  
Auslandsgeheimdienst MI6 nicht gerade zimperlich: Observation,  
Verleumdung, Inhaftierung hinweg über alle Grenzen, ungeachtet  
von Menschenrechtskonventionen. Seitdem sein ehemaliger  
Mitarbeiter Richard Tomlinson diese an der eigenen Haut erlebten  
Methoden in einem Buch schilderte, steht der weltberühmte Dienst  
in einem denkbar schlechten Licht da - und mit ihm die britische  
Regierung, die lange die Unterzeichnung der europäischen  
Menschenrechtskonvention verweigerte.  
 
Stellen Sie sich vor, Sie wären Personalleiter einer Behörde und  
müssten über folgenden Fall entscheiden:  
 
Ihr Mitarbeiter hat den Einführungskurs mit Bestnoten absolviert.  
Allein beim Einstellungsgespräch bemängelte er die Bezahlung:  
Sie sei nicht so hoch wie in der Wirtschaft. Im Feld orientierte er  
sich schnell und leistete effiziente Arbeit. Jedoch absolvierte er  
einen Termin mit offenem Hemdkragen, ohne Krawatte.  
Entscheiden Sie nun über den künftigen Werdegang ihres  
Mitarbeiters:  
 
a) Sie befördern ihn auf einen Posten, auf dem undogmatisches  
Denken gefragt ist. b) Sie weisen ihn auf die Hausordnung hin und  
verpassen Ihm eine Abmahnung. c) Sie kündigen ihm fristlos.  
 
Nehmen wir an, Sie entscheiden sich für Lösung c) kündigen ihm  
fristlos. Entscheiden Sie erneut:  
 
a) Sie erklären ihm den Entlassungsgrund und verhandeln mit ihm  
über ein Abfindung. b) Er zieht vor das Arbeitsgericht und Sie  
fechten die Sache rechtlich durch. c) Sie ziehen alle Register und  
verhindern einen Gang vor das Arbeitsgericht. Anstattdessen  
locken Sie ihn die britische Botschaft in Spanien und bringen ihn  
anschließend wegen versuchten Geheimnisverrats für mindestens  
ein Jahr ins Gefängnis. Sie sorgen dafür, dass er, obwohl er sein  
Haus, das Haus seiner Eltern sowie das Haus seines Anwalts als  
Kaution anbietet, im Untersuchungsgefängnis bleibt. Dort wird ihm  
im Hochsicherheitstrakt jeder Kontakt zur Außenwelt verwehrt.  
Nach der Entlassung überwachen Sie ihn lückenlos. Sie  
organisieren sogar eine Observation mittels Hubschrauber über  
dem Londoner Hyde-Park während seiner Bewährungszeit.  
Schließlich observieren sie ihn in der ganzen Welt, um zu  
verhindern, dass er Kontakt mit der Presse aufnimmt und ein Buch  
über seine Erlebnisse schreibt.  
 
Der britische Auslandsgeheimdienst MI6 entschied sich jeweils für  
die letzte, recht aufwändige Lösung - und warf damit ein grelles  
Schlaglicht auf seine Managementqualitäten. Damit hatte er hoch  
gepokert - und schließlich doch verloren. Denn er konnte nicht  
verhindern, dass sein enttäuschter Mitarbeiter Anfang 2001 seine  
Memoiren in einem Moskauer Verlag veröffentlichte. Die Rede ist  
vom ehemaligen MI6-Agenten Richard Tomlinson.  
 
[...] 
 
Sein Buch ist vor kurzem im Münchner Heyne-Verlag erschienen.  
Für ein Erstlingswerk und angesichts der haarsträubenden und  
demoralisierenden Umstände ist es bewundernswert gut und  
äußerst spannend geschrieben. Seit der Veröffentlichung übt der  
MI6 weniger Druck auf ihn aus, doch in Großbritannien musste der  
Vertrieb auf Einwirken des Geheimdienstes eingestellt werden.  
Deshalb bietet er es über einen russischen Server zum Download  
an.  
 
 
Zuvor hatte der britische Geheimdienst dafür gesorgt, dass  
Tomlinson weder in die USA, noch nach Australien einreisen  
konnte. Der neuseeländische Geheimdienst übte auf Tomlinson  
Druck aus, ebenso der französische, Schweizer und deutsche  
Geheimdienst. Zuletzt hielt er sich in Italien auf - aber auch hier  
musste er die mittlerweile elfte Hausdurchsuchung samt  
Beschlagnahmung seines Laptops und Organizers hinnehmen.  
Gegenüber den Partnerdiensten verlangte der MI6 Rechtshilfe mit  
der Behauptung, es handle sich bei Tomlinson um einen gesuchten  
Terroristen. Dieses skrupellose Vorgehen des MI6 sowie die  
überaus schnelle Bereitschaft der Partnerdienste auf die Wünsche  
des MI6 einzugehen, gibt wenig Grund zur Annahme, dass das im  
letzten Jahr verabschiedete Europäische Rechtshilfeabkommen  
nicht auch mißbraucht werden wird.  
 
All dies unternahm der MI6 mit dem Wissen, dass Tomlinson diese  
Aktionen weder finanziell, noch rechtlich auf Dauer durchstehen  
konnte. Ein Gang vor den Europäischen Gerichtshof hätte nämlich  
bedeutet, im jeweiligen Land - bis zur Ausweisung - durch  
sämtliche gerichtliche Instanzen gehen zu müssen. Die politische  
Verfolgung Tomlinson wirft damit ein düsteres Licht auf die  
praktische Durchsetzung von Menschenrechten nicht nur in der  
Europäischen Union, sondern in den westlichen Demokratien.  
 
In Wahrheit ging es dem britischen Geheimdienst nur darum,  
Tomlinson davon abzuhalten, sein Buch zu veröffentlichen, weil es  
gegen das britische Geheimhaltungsgesetz (Official Secrets Act)  
verstoßen würde. Dabei hatte Tomlinson sogar der Behörde  
angeboten, das Manuskript vorab zu sehen.  
 
[...] 
 
Tomlinson ist kein Terrorist, nicht einmal ein Dissident. Er ist  
lediglich ein enttäuschter Angestellter. Tomlinson, der zunächst in  
Cambridge, dann am MIT studiert hatte, hatte sich für den MI6  
begeistert, da er ein interessantes und abwechslungsreiches  
Leben versprach. Bis zuletzt wäre er trotz der schlechten  
Behandlung gerne in den MI6 zurückgekehrt. Die  
Geheimdienstbehörde hätte deshalb wohl leichtes Spiel gehabt, die  
Angelegenheit ohne Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erledigen  
- doch er zog den Konfrontationskurs vor.  
 
mehr 
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/11131/1.html
                   
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edited by Harkank 
published on: 2001-11-17 
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